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Flaschenpost aus China

大家好,

dies ist der erneute Versuch eines Newsletters – falls er ankommt, hat alles gut geklappt. Das bedeutet: Ich habe ihn bis zum Ende geschrieben UND verschickt – UND er kam durch… – drei Hindernisse, an denen meine Newsletter bislang scheiterten. Aber offensichtlich funktioniert es diesmal.

Text: C. / Titelbild & Galerie: © nikkiwunderkind

Newsletter # 1

Seit Anfang des Monats bin ich im Rahmen eines Austauschprogramms in China – und seit ein paar Tagen in Qingdao. Das ist die Stadt mit dem Bier – eine ehemalige dt. Kolonie – ein paar Schnellzug-Stunden südöstlich von Peking an der Küste gelegen. Die Luft wirkt gut. (Die Feinstaubwerte sind angeblich ähnlich, wie in Peking – aber ich spüre davon nichts). Im Hotel gibt es W-LAN. Meine VPN-Verbindung funktioniert. Kurz: Qingdao ist großartig. Unsere Besichtigungstour in Qingdao – u.a. vom Start-up bis zum Global Player – ist seit vorgestern zu Ende. Weil Qingdao aber so großartig ist, bleibe ich noch ein paar Tage länger, die ich vor allem im Hotelbett verbringe – und komme so endlich einmal dazu, Emails zu schreiben.

Hinter mir liegen Vorlesungstage an Universitäten, die fantastisch waren. Jeden Tag gab es Vorträge von Personen, die aus erster Hand erzählten – es war ein „Crashkurs modernes China“ und ich habe vieles über dieses Land erfahren, was mir vorher nicht klar war. So vieles hier ist unverständlich – so viele widersprüchliche Dinge existieren nebeneinander her. Der Umgang mit dem Internet zum Beispiel:

Zwischen den Zeilen,

Die KP kontrolliert das Internet, blockt nicht genehme Seiten und verlangsamt alles, was von ausländischen Servern kommt. Schnell und verlässlich funktionieren nur China interne Seiten und Dienste – wie etwa „Wechat“ („Weixin“) – das chinesische „WhatsApp“- Gegenstück, das Haupt-Kommunikationsmittel ist und auf das die Regierung direkten Zugriff hat. Gleichzeitig boomen in China aber Internet-Start-ups, die schnelle Verbindungen brauchen. Wir waren bei einem Internet-Unternehmen, das „Buzzfeed“ zum Vorbild hat, vor Kurzem mit 20 Millionen US-Dollar Venture-Capital aufgepumpt wurde – und an dem Tag unseres Besuches keinen Netzzugang hatte. (Nur über Handy und Bluetooth)

Wer kann und will nutzt VPN – und häufig wird sogar erwartet, dass man das tut. Ein chinesischer Prof. etwa erzählte mir, dass er selbstverständlich auf diese Weise Nachrichten liest – und dass auch alle seine Studenten dies tun. Dass es in Ordnung ist, wenn wir ihn mit dieser Aussage zitieren. Es ihm aber nicht möglich ist – beispielsweise – einen Kurs „VPN installieren für Anfänger“ im Vorlesungsverzeichnis anzubieten – weil das dann erkennbar gegen die politische Richtung verstößt. Die Frage „Ist VPN-Nutzung in China legal, oder verboten?“ ist offensichtlich sehr deutsch – es gibt dazu keine Gesetze, sondern lediglich ein allgemeines Verständnis, was in Ordnung ist, und was nicht. Wenn etwas nicht mehr erwünscht ist, merkt man es daran, dass Seiten vom einem auf den anderen Tag geblockt sind. Oder dass plötzlich die wichtigsten VPN-Clients nicht mehr funktionieren. Angeblich gab es in China eine riesige „World of Warcraft“ Community. Diese konnte sich irgendwann – ohne Vorwarnung oder Erklärung – nicht mehr einloggen. Eines Tages funktionierte das Spiel wieder. Allerdings waren in der Zwischenzeit einige Änderungen vorgenommen worden. So wurden etwa Skelette nicht mehr „nackt“ gezeigt, sondern waren von da an bekleidet.

Peking swingt

Den Tänzer unter euch wird vielleicht interessieren, dass auch in Peking Swing getanzt wird. Am vergangenen Wochenende fand der „Great Wall Swing Out“ in einem wunderschönen Hotel an der großen Mauer statt. Zwei Trainerpaare aus Frankreich waren gekommen – und eines aus Korea. Die Koreaner waren wild. Sie brachten die Teilnehmer dazu, auf der Tanzfläche Liegestützen zu machen. Tanzworkshop ‚Asian Style‘ bedeutet: 5 Stunden hintereinander Training – ohne Pause. Normales Training – bzw. ein wöchentlicher Social Dance findet im zweiten Kellergeschoss eines Bankgebäudes in der Nähe der CCTV-Zentrale statt. Man muss erst durch die Lobby gehen – und dann hinter einem Geldautomaten Treppen hinuntersteigen, die an ein Parkaus erinnern. Unten ist man in einer anderen Welt – in einer Mischung aus Geheimorganisation und Jugendklub.

Mein Chinesisch ist weiterhin ausbaufähig – jedoch habe ich die Scheu der ersten Tage überwunden und quassele mittlerweile jeden an, der nicht bei drei auf den Bäumen ist. Verstehe ich Antworten nicht, lächele ich nickend. So geriet ich vorgestern auf eine „Party unter Kollegen“, die sich überraschend als das 11. Firmenjubiläum eines Modemagazins herausstellte und eine Fashion-Show im „einzigen 7-Sterne Hotel Chinas“ zelebrierte. Alle Kreativen, Schönen und Reichen waren gekommen. Ich war die einzige Ausländerin, trug flache Schuhe, alte Jeans und Strickjacke.

Insgesamt geht es mir gut und ich taumele mit großen Augen und offenem Mund durch die Tage. Vom Verzehr von frittiertem Seestern möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich abraten.

Sende viele Grüße,

C.