Nur vordergründig geht es in Ridley Scotts „Der Marsianer“ um Science-Fiction, die Kernbotschaft des Films appelliert an unsere Opferbereitschaft.
Text: Ilijic / Titelbild © NASA/JPL, [Public domain] via Wikimedia Commons
Filmkritik „The Martian“ von Ridley Scott
Glory, glory, hallelujah!, – ein weiterer Film in dem Matt Damon gerettet werden muss. Anscheinend prädestiniert für Rettungsmissionen, verschlägt es den Soldaten James Ryan diesmal auf den Roten Planeten. In dem Film von Ridley Scott, strandet der unter unglücklichen Umständen von seiner Crew zurückgelassene Astronaut Mark Watney (Matt Damon) auf dem Mars. Auf Erden für tot erklärt, muss sich der Verschollene vorerst allein durchschlagen, bevor die NASA zur finalen Bergung schreitet.
„Houston, we’ve had a problem.“
Um es kurz zu machen: Der Film ist ein grottiger Studioabwasch in 3-D. Gefühlt dauert die Vorführung länger als eine reale Marsmission. Nach Prometheus liefert der Regisseur, solch fantastischer Meisterwerke wie Blade Runner und Alien, mit „The Martian“ einen weiteren cineastischen Offenbarungseid. Als Vorlage diente Ridley Scott der gleichnamige Roman von Andy Weir, welcher an für sich reichlich Stoff bietet für ein packendes Weltraumdrama. Wäre der Streifen nicht berechnend als Blockbuster konzipiert. Mit anderen Worten, – der Film soll es möglichst jedem Recht machen, und als Cashcow viele Familien zum Popcorn greifen lassen. Herausgekommen ist ein überzuckertes Mixgetränk. Die Handlung folgt einem konventionellen Erzählmuster, indem der Held zwei Krisen durchstehend, schlussendlich im Marsorbit von seiner Crew aufgegabelt wird. Trotz exzessiven Streichereinsatzes kommt kaum Spannung auf. Während im Zeitraffer Mark Watney seine außerterrestrischen Probleme in MacGyver Manier meistert, liegt der Handlungsschwerpunkt auf dem Aktionismus der NASA den verlorenen Sohn zurückzuholen. Nur selten wird Watneys existenzbedrohende Isolation in den 142 Spielfilmminuten spürbar. Atmosphärisch überträgt sich weder die lebensfeindliche Umgebung noch die immense Entfernung zur Erde auf den Kinosessel. Der Trip zum Mars erscheint als Katzensprung und ab einem gewissen Moment schwand meine Hoffnung, dass sich der liebe Mark zu Fuß aufmacht. Zudem sind die Figuren viel zu stereotyp und klischeebehaftet angelegt, als dass das Schauspielensemble überzeugen könnte. Erschöpfen sich allein die Frauenrollen darin, als hübsches Beiwerk Stichwort gebend die Handlung vorranzutreiben. In Anbetracht, dass der gleiche Regisseur mit Ellen Ripley den ersten weiblichen Charakter jenseits von Geschlechterklischees schuf, wirkt das vermittelte Frauenbild um so befremdlicher. Komplettiert wird das Ganze durch flapsige Sprüche, flachen Gags und infantilen Dialogen aus dem Sandkasten. Ich fürchte, mit diesem Personal wäre die NASA außerstande Glühbirnen auszutauschen. Der Marsianer enttäuscht auf ganzer Linie, nicht nur in Bezug auf Dramaturgie, Kameraführung und Ausstattung. Selbst beeindruckende Panoramaaufnahmen vermögen kaum über die polierte CSI-Hochglanzästhetik hinwegzutrösten. Spätestens an den 3-D Szenen mit unstimmig perspektivischen Größenverhältnissen, merkt der Zuschauer, wie lieblos dieser Film zusammengeschustert wurde. Schauspieler schrumpfen von einer Sekunde auf die andere zu Zwergen und Fahrzeuge erscheinen wie ferngesteuerte Spielzeuge.
Unterinfomierte Organspender
Es ist kein Geheimnis, dass sich Filmproduktionen unter Aufsicht staatlicher Institutionen in den USA großzügiger Unterstützung erfreuen. Letztendlich macht der propagandistische Unterton diesen Film völlig unerträglich, etwa wenn Watney in seiner Verzweiflung sinngemäß stammelt, für ein höheres Ziel sein Leben zu geben. Nur vordergründig geht es in Ridley Scotts „Der Marsianer“ um Science-Fiction, die eigentliche Botschaft des Films appelliert an unsere Opferbereitschaft.
Kartoffeln & Teflonpfannen
Sogar Gestirne unterliegen Moden. Schwingen in der Sicht auf ferne Welten sowohl unsere Hoffnungen als auch Ängste mit. Das Science-Fiction-Genre behandelt nicht nur irdische Utopien und Dystopien, sondern spiegelt zugleich den Zeitgeist wieder. In „The Martian“ den Geist einer sesselfurzenden, aber Outdoor gekleideten Leistungsgesellschaft. Ein perfekter Film für die Smartphonegeneration, welche glaubt ihre Wohnzimmer-Komfortzone auf den Mars verfrachten zu können. Dazu passt der vielfach im Feuilleton kolportierte Unsinn, einer realitätsnahen Verfilmung. Um den russischen Vizeregierungschefs Dmitri Rogosin zu zitieren „Die Amerikaner können ihre Astronauten mit dem Trampolin zur ISS bringen“. Zwar aus dem Kontext gerissen, illustriert Rogosins Allegorie den Fortschritt in der Raumfahrt seit der ersten Mondlandung. Ungeachtet, dass es in unserem Sonnensystem bis auf Geröll, Erfrierungen und Verbrennungen wenig zu holen gibt, versorgt uns die NASA täglich mit Wasserstandsmeldungen vom Mars um ihr milliardenschweres Legitimitätsproblem zu kaschieren. Vor dem Hintergrund des Klimawandels erscheint eine Besiedelung des Mars genauso unnütz wie die Teflonpfanne. Damit Einwände gar nicht erst aufkommen, muss ein Matt Damon noch viele Kartoffeln anpflanzen.