Die Krux mit dem Luxus. Diese Geschichte beginnt mit einem Frühstück, handelt von launischen Frauen und sündhaft teuren Patek Philippe Uhren.
Text: Ilijic / Titelbild: bearbeiteter Screenshot von Webshop Blome-Uhren.de
Frühstück bei Tiffany
Szenerie am Frühstückstisch, jeder in seine Lektüre vertieft. Die gefällt mir! Ich schaue entlang ihres Fingers auf eine Anzeige im Zeit-Magazin. Das Uhrengehäuse, Roségold verziert wie das Hinterteil der Wasa. Die kannst du dir nicht leisten. Warum? Zu teuer. Wetten doch? Eine Patek Philippe, die fangen gebraucht bei € 10.000 an. Ungläubiges Kopfschütteln. Patek Philippe? Sagt mir nichts und Du kennst natürlich die Preise! Sie mustert mich spöttisch, ihr auf Krawall gebürsteter Unterton mahnt zur Vorsicht. Bett zerknautscht und im Schlafanzug, – ein unpassender Aufzug um über Luxus zu streiten. Frauen sind morgens einfach ausgeschlafener. Salomonisch leite ich mit dem Vorschlag Google zu befragen den Rückzug ein. Gebeugt über dem Monitor verschlägt es uns die Sprache.
Der Preis sprengt selbst das CMS der Webseite. Grandmaster Chime Ref. 5175 heißt das gute Stück und wechselt für läppische € 2,2 Millionen den Besitzer, oder auch nicht. Die auf 7 Exemplare limitierte Auflage ist bereits restlos vergriffen. Wie wohl die Übergabe solcher Schmuckstücke über die Bühne geht? Genf hin oder her, einen würdigen Ort als den Élysée Palast vermag ich mir nicht vorzustellen. Champs-Élysées, Blaulicht-Eskorte und die Ehrengarde. Viel très chic, Galadinner und als Sättigungsbeilage die Bruni in jungen Jahren. Die Käufer? Vermutlich Russen. Wer sonst weiß heute noch Mechanik zu schätzen. Nicht umsonst hing die MIR ein halbes Jahrhundert im Äther. Neureiche Chinesen und Scheichs scheiden aus. Bei dem aktuellen Ölpreis locken die saudischen Prinzen allenfalls noch exotische Klappräder in ihre Learjets. Stänkert holt mich die weibliche Vernunft an meiner Seite aus den Gedanken. Nicht mal wasserdicht und Handaufzug! Ma chère enfant, bei der Kohle hast du keine Spülhände. Sie schmollt und trollt sich. Jetzt will ich es genau wissen. Seitdem das Zeit-Magazin mit Nachdruck versucht die Lücke zwischen der Brigitte und Cosmopolitan zu schließen, erfährt der Leser, dass ihn z.B. eine Solaruhr als Funktionsträger ausweißt und der Arcandor Pleitier Middelhoff seine Piaget wie ein Hochstapler im Gerichtssaal trug. Ersteres kann man so stehen lassen, beim zweiten bin ich mir unsicher ob Middelhoff mit seiner Uhr vorgab, ein Manager zu sein. Jedenfalls fällt er nicht mehr unter die Funktionsträger. Bei aller Hamilton Weichzeichnerei werden die 20 Komplikationen der sagenhaften Grandmaster Chime Ref. 5175 wohl unkompliziert in einen Safe wandern und erst wieder das Tageslicht bei Sotheby’s oder Christie’s erblicken. Als Geldanlage für Leute die breit streuen müssen. Schließlich hat es der arme Milliardär schwer. Freunde, Feinde, Finanzbehörden und vor allem teure Scheidungen. So schrieb Irina Abramowitschs Abfindung Geschichte und katapultierte sie über Nacht auf Platz 538 der Forbesliste. Mit einer Chime Ref. 5175 am Handgelenk bewegen sich selbst Forbesnovizen in Spähren pharaonischer Grabbeilagen, Fabergé-Eiern oder der Schicksalhaftigkeit blauer Hope-Diamanten.
Hedonistische Gipfel erklimmen
Bekanntlich das letzte Hemd und leere Taschen, hat diese Anschaffung das Zeug den armen Milliardär unsterblich zu machen. Keine Kategorie für normal Sterbliche, der überwiegende Teil der Common People guckt auf Smartphones und Quartzuhren. Es waren übrigens Manager die mechanischen Uhren zur Renaissance verhalfen, also jene Leute für die Zeit Geld bedeutet. In Zeiten des Hochfrequenzhandels mag sich der aufmerksame Leser über den Anachronismus wundern oder es unter einen Männer typischen Fetisch verbuchen. Als zertifizierte Gimmicks verhinderter Astronauten, Rennfahrer und Taucher an rotweingetränkten Herrenabenden. Herrn Middelhoffs Kollegen tragen Luxusuhren als Teil ihrer Uniformierung in einer hierarchischen Welt fein abgestimmter Codecs. Für diese Gruppe sind die Unikate auch nicht gedacht, sondern für diejenigen, welche sich vom Rest der Welt abheben, sozusagen den ultimativen Gipfel des Materialismus erklimmen. Was die Preisfrage aufwirft, weshalb so etwas Unerreichbares als Kaufanreiz auf meinem Küchentisch landet. Damit dem armen Milliardär das Sterben leichter fällt, hat das Marketing vorsorglich die hedonistische Ananas vergoldet. In den sepiagetränkten Werbemitteln vererben sich solche Güter vom Vater zum Sohne. Abgesehen das diese kaum Zeit finden ihren Söhnen das Pinkeln im Stehen beizubringen, illustriert der ganze Hochglanz Aufwand das zukünftige Dilemma der Schweizer Uhrmacher einer smartverseuchten Generation Mechanik näherzubringen.
Daisy Bell & Wearables
(Quelle: youtube „Daisy Bell“ by Harry Dacre 1892. In 1961, the IBM 7094 became the first computer to sing, singing the song Daisy Bell.)
Zwar entsprach das Design auch in der Vergangenheit dem modischen Zeitgeschmack und nach wie vor sind die Manufakturerzeugnisse heiß begehrte Statussymbole, jedoch ohne die Notwendigkeit eines alltäglichen Gebrauchsgegenstandes reduziert sich der Wert auf ein beliebiges modisches Accessoire. Dessen gewahr starren die alpinen Kuckucksuhrenbauer auf Wearables wie das Kaninchen auf die Schlange und schlagen aus Furcht vor dem Ausverkauf ihres Know-hows alle Kooperationsangebote der IT-Konzerne aus. Bei Weitem kein Einzelschicksal wirkt das Internet der Dinge, wie ein Brandbeschleuniger einer Entwicklung bei der Technologie sukzessive Technik ersetzt und uns einen nie da gewesenen Zugewinn an Funktionalität, Komfort als auch Sicherheit verspricht. Allerdings zum Preis von Überwachung, Kontrolle und letztendlich Abhängigkeit. So braucht zum Beispiel kein gesunder Mensch einen Pulsmesser als ständigen Begleiter, außer man will seine psychosomatischen Beschwerden geolokal orten lassen. Wir werden gefahren, geflogen, geleitet und begleitet, solange die Dinge funktionieren bzw. bezahlt werden. Tun sie es mal nicht, verwandelt sich Siri in einen HAL 9000. Vorbei die Zeiten, an denen Papi mit einem Schraubenschlüssel bewaffnet unter seinen VW-Käfer kroch. Heutzutage kompensieren mangelnde Fähigkeiten gezückte Kreditkarten. Trotz allem Enthusiasmus, die Share Economy mit berechnender Naivität als soziale Errungenschaft anzupreisen, beschleicht einen die Ahnung eines durchweg kommerzialisierten Lebens, bei dem Menschen einzig auf konsumierende Subjekte reduziert werden. Zum 175 Jubiläum verbaut Patek Philippe in die Grandmaster Chime Ref. 5175 so ziemlich alles an Uhrmacherkunst, was die Firmengeschichte an Fertigungstiefe zu bieten hat. Unter anderem solche generationenübergreifenden Funktionen wie den ewigen Kalender und als highlight einen auf Knopfdruck aktivierbaren Glockenschlag. Wem auch immer die Stunde schlägt.