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Parade in Peking

Impressionen aus China, – Militärparade und Kriegsgedenken in Peking. Vor 70 Jahren endete der Krieg in Asien.

Text: C. / Titelbild © By Bain News Service, publisher [Public domain], via Wikimedia Commons

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Heute ist in China nationaler Feiertag. Vor 70 Jahren endete der Krieg in Asien. In Peking gab es deshalb heute vor der Verbotenen Stadt eine riesige Militärparade – Kolonnen, Panzer und Haubitzen. Der Präsident, die zentrale Figur – daneben salutierende Generäle und eine Reihe ausländischer Staatschefs, die dunkle Anzüge trugen und in der Sonne blinzelten.

Der Himmel in strahlendem Blau. Die umliegenden Fabriken, deren Abgase normalerweise nach Peking ziehen, waren bereits Tage vorher geschlossen worden. Dann flogen Hubschrauber und Kampfjets über die Stadt, versprühten Farbwolken und hinterließen Abgasschlieren. Von „Gedenktagsblau“ zu „Kampfstaffelgrau“ innerhalb weniger Minuten.

In den chinesischen sozialen Netzwerken haben viele Nutzer ihre Profilbilder durch die chinesische Flagge, oder der Zahl „70“ ersetzt. Die 70 steht für „70 Jahre Kriegsende“ bzw. den „Sieg des chinesischen Widerstands gegen die faschistischen japanischen Aggressoren“. Mein Eindruck ist, dass die Mehrheit der Menschen hier, den Feiertag und die Parade gut fanden.

Ein talentierter Zeichner aus Qingdao, dem ich auf „WeChat“ folge, freute sich online, dass die Flagge der „kleinen Japaner“ heute auf Halbmast hängt. Wenn ich mir seine Zeichnungen anschaue, denke ich, dass sein Stil von japanischen Mangas beeinflusst ist.

Eine in Shanghai arbeitende Japanerin erzählte, dass sie in der Firma gesagt bekommen hat, sie möge sich heute mit aufmüpfigen Kommentaren besser zurückhalten. Während sie davon sprach, lachte sie. Eine mit ihr befreundete Chinesin hatte die Parade nicht gesehen, weil sie sich in der Zeit lieber auf ihre Japanisch-Prüfung vorbereitet hat.

Mein chinesischer Ex-Kollege schickte einen Link zu einem Artikel, in dem – auf Chinesisch – diskutiert wird, ob Deutsche überhaupt wissen, dass im Zweiten Weltkrieg auch in China gekämpft wurde. Zitate aus deutschen Onlineforen deuten auf das Gegenteil hin.

Gestern Nacht fragte ich in einer Bar mehrere Swingtänzer, ob sie sich die heutige Parade ansehen würden. Sie blickten mich an, als sei ich nicht mehr ganz dicht. Keiner hatte vor, es sich anzusehen. Keiner wusste, wann die Übertragung beginnen würde. (Selbstverständlich um 10­ Uhr, wie jeder ordentliche Gottesdienst!)

Ich sah mir das Spektakel gemeinsam mit einer Chinesin und zwei Indern im Fernsehen an.

„Das Fernsehprogramm hat sich kein bisschen verändert.“, sagte die Chinesin. „Es sind die gleichen Themen, wie in meiner Kindheit.“

„Diese Parade sieht beeindruckend aus.“, sagte der eine Inder.

„Ich mag Militäraufmärsche nicht.“, sagte der andere. „Kennst Du das Lied ‚Imagine‘ von John Lennon?“ „Daran glaube ich.“

Aus Deutschland kenne ich solche Veranstaltungen nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Berlin für eine Militärparade Hauptverkehrsstraßen, Parks und zentrale U-Bahnhöfe über Tage hinweg gesperrt werden. Dass anliegende Geschäfte und Krankenhäuser schließen. Dass in anliegenden Büros sämtliche Schubladen durchsucht werden. Dass Flughäfen ihren Betrieb einstellen. Dass zwei Wochen lang die Hälfte aller Autos von den Straßen verbannt sind. Und, dass auf der Straße des 17. Juni stundenlang Raketenwerfer und Panzer umherfahren.

(Wahrscheinlich würde der vorletzte Punkt in Deutschland den größten Protest hervorrufen.)

Heute mit Heimweh grüßt C