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Schmucke Kunst

Katja Korsawe zählt zur Avantgarde der internationalen Goldschmiedekunst. Ein Gespräch über Schmuck, Kunst und Kommerz.

Interview: nikkiwunderkind mit Katja Korsawe / Fotos © Thomas Schultze

Interview – Kunstschmuck

Bei deinen Arbeiten fällt auf, dass Du bewusst auf Edelmetalle und Edelsteine verzichtest?
Traditionell werden Edelmetalle in der Schmuckproduktion verwendet. Irgendwann kennt man sich mit Gold und Silber aus. Nachdem ich mich länger damit beschäftigte, kam in mir der Drang auf andere Materialien auszuprobieren. Die Traditionellen sind alle tradiert und bewertet. Aber wie verhält es sich mit Materialien, die bislang nicht bewertet wurden von der Gesellschaft? Das war meine Motivation den Kontext zu verschieben. Also Unwertes in Wertvolles zu verwandeln.

Welchen Wert haben Gold und Edelsteine für Dich?
Grundsätzlich keinen Besonderen. Ich fahre nicht auf Gold und Edelsteine wegen ihres Seltenheitswertes ab, sondern schaue, wofür etwas steht. Während einer Arbeitsphase lässt es sich eher beurteilen, ob mir ein Material zusagt. Ich würde mich niemals aufgrund einer Wertigkeit für einen Werkstoff entscheiden.

Erfolgt die Materialauswahl zufällig oder verfolgst Du ein Konzept?
Grundsätzlich gibt es einen gewissen persönlichen Blickwinkel genauer draufzuschauen, ansonsten ist der Arbeitsgedanke an Werkgruppen oder Projekte gebunden. Beispielsweise beschäftige ich mich aktuell mit Faltung. Eigentlich ist die Zwei- und Dreidimensionalität ein Grundstudiumthema. Faltung geht ins Volumen hinein usw.

Also Metallverarbeitung?
Unter anderem. Vielmehr der Spaß an der Fragestellung wie sich Metall, Papier oder Porzellan falten lässt. Das entspricht meinem Grundinteresse, wie sich Materialien andersartig transportieren lassen. Nicht die Wertigkeit steht im Vordergrund, sondern wie man es in seinem Charakter verformen kann. Welche Möglichkeiten darin verborgen liegen, dass sich für den Betrachter neue Perspektiven eröffnen.

Spielst Du bewusst mit Ironisierung, etwa der Illusion kostbarer Materialität?
Eigentlich ist das nicht mein Anliegen, jedoch gibt es terminologisch belegte Materialien. Als ich einmal mit Haaren arbeitete, wurde mir bewusst, dass manche Sachen nicht infrage kommen, weil die Vorstellungen nicht aus den Köpfen der Betrachter zu kriegen sind. Auf die Reaktionen war ich unvorbereitet und zu dem Zeitpunkt ziemlich naiv. Somit bleibt einem nur noch die Möglichkeit, es so weit zu verwursteln, dass sich das Ausgangsmaterial nicht mehr nachvollziehen lässt. Zum ersten mal habe ich eine Grenze erfahren. Von den hitzigen Diskussionen abgesehen, die gar nicht mein Thema waren.

Es fällt schwer deine Schmuckstücke in die üblichen Kategorien von Kette, Armreif oder Ring einzuordnen.
Dies ist der Moment, an dem der allgemeine Sprachgebrauch nicht greift. In der Schmuckszene spricht man zum Beispiel nicht von Ketten, sondern von Halsschmuck. Somit ergibt sich allein aus dem Fachterminus keine Eingrenzung. Mit einer Kette ist das Glied gemeint. Deshalb sind meine Strumpfketten tatsächlich aus Strumpfösen zusammengesetzte Ketten. In dieser Arbeit ist es mir gelungen, den Sprachgebrauch zu visualisieren.

Das setzt beim Käufer ein Vorwissen voraus. Zumal Deine Gummiketten wie kostbare Korallenketten anmuten und aus Cent Materialien bestehen. Oder trete ich Dir da zu nahe?
Ich liebe es, unter 100,- Euro Schmuck zu kreieren. Deshalb heißen die Gummiketten (die Vorläufer der Strumpfhosenketten) auch Koralle und unter konzeptionellen Gesichtspunkten, finde ich es gut, dass die Haltbarkeit maximal drei Jahre beträgt. Trotz aller dekorativen Anmutung spielen viele Assoziationen zur Petroindustrie, organischer Materialität, Vergänglichkeit und Konsum eine Rolle.

Wie schaffst Du den Spagat zwischen kommerziellen und künstlerischen Anspruch?
Schmuckkünstler geht es in erster Linie um den Ausdruck. Das ist zuweilen problematisch, – manchmal hat man das Glück, dass eigene Vorstellungen beim Publikum gut ankommen und sich eine Adelung im Abverkauf ergibt.

Deinen Schmuck erwarb die Münchner Pinakothek.
Dafür habe ich 35 Euro bekommen. Kommerziell ist das nichts. (lacht).

Auch eine Form der Adelung. Immerhin werden deine Arbeiten gezeigt.
Zum einen gibt es die Dauerausstellung und Neuankäufe. Dadurch, dass ich nicht vor Ort wohne, kann ich nicht einmal beantworten, ob meine angekaufte Arbeit in einem Lager versackt oder gezeigt wird. Sicherlich freut es, wahrgenommen zu werden. Dass die Qualität meiner Arbeit erkannt wird, ergibt eine wahnsinnige Beschleunigung im Arbeitsprozess. Was gibt es schöneres, als weitere Projekte realisieren zu können. Das ist mir nicht immer gegönnt gewesen, deshalb gab es tatsächlich das Problem, inwieweit es wichtig ist, Geld zu verdienen.

Was steht dem im Wege. Woran lässt es sich festmachen?
Mit Sicherheit am Materialwert. Wenn man sich entscheidet, Unwertes zu verwenden, ist es bestimmt geschickt, etwas Wertvolles hineinzuarbeiten.

So ein Alibi Edelsteinchen?
Ich würde das gar nicht so zynisch kommentieren. Manchmal passt die Kombination oder Komposition. Viele Schmuckkünstler kommen ohne Geblinke aus.

Bei vielen Künstlern drängt sich mir der Verdacht auf, dass eine Vita um den Erfolg herum gebastelt wird.
Es ist schon der Wahnwitz, wenn einmal in einem Leben etwas passiert, das viele beeindruckt oder verändert. So etwas erleben zu dürfen ist wunderschön. Allerdings sollte man niemanden vorschnell verurteilen, da sich in einem Erwachsenenleben vieles einschleift. Sozusagen das Leben einen selbst schleift. Zudem fällt es schwer ins Ungewisse aufzubrechen. Um das zu begreifen, muss man sich mit dem Künstler und seiner Konzeption auseinandersetzen. Wenn einen Künstler jahrzehntelang dieselbe Thematik beschäftigt, darf man annehmen, dass ein wahnsinniger innerer Druck dahinter steckt, noch nicht sein Optimum erreicht zu haben.

Viele streben danach, einen Wiedererkennungswert zu kreieren. Woran machst Du deine Handschrift fest?
Ja, es gibt ein schönes Fremdwort, das Narrative – ich mag das Erzählerische sehr gerne, bei fast allen Arbeiten. Ich liebe es, wenn Schmuck eine Bedeutung innewohnt. Meist gibt es eine Vorgeschichte, – selbst bei meinem kommerziellen Schmuck, besteht der Wunsch etwas mitzugeben. Das Erzählerische ist das verbindende Element meiner Arbeiten.

Kreierst Du auf den individuellen Kunden abgestimmten Schmuck?
Nein und Ja. Bei meinen freien Unikat-Arbeiten ist der Körper eine Art Avatar oder Matrize für mich. Bei Auftragsarbeiten bin ich ganz und gar beim Kunden. Mein Gestaltungsrahmen ist mit den menschlichen Proportionen festgelegt. Ich akzeptiere den Körper und möchte für ihn arbeiten. Daran will ich gemessen werden. Ich hasse es, wenn Schmuck menschliche Proportionen bricht und eine Dimension bekommt, an der ich demjenigen nur erwidern kann „Vergiss den Menschen, arbeite frei und habe den Mut dein Objekt im Raum auszustellen“

Wenn Schmuck so dominant wirkt, dass beispielsweise die Person hinter der Brille verschwindet?
Genau. Wenn ich für den Menschen arbeite, muss ich den Körper akzeptieren. Natürlich sehe ich den Menschen aus meinem Blickwinkel. Wie er sich bewegt, wo er steht und mit seinen Mitmenschen in Kontakt tritt.

Woran merkst Du, dass eine Thematik abgeschlossen ist? Wann ist ein Objekt fertig?
Eigentlich bin ich ganz gut im Verfassen von Kurzgeschichten. Damals an der FH habe ich meinen Studenten zu vermitteln versucht, dass es sich beim Schmuck wie in einer gut erzählten Geschichte verhält, – mit einer Einleitung, Protagonisten und einem Spannungsbogen, bei dem es wichtig ist, an einen Schlusspunkt zu gelangen. Am Ende merkt man erst, wie gut die Story war.

Wie reagierst Du, wenn die Geschichte nicht aufgeht?
Dann stimmt die Grammatik nicht. Dann heißt es, sich wieder dranzusetzen.

Gibt es Werke, die trotz aller Anstrengungen scheitern?
In dem Fall schließe ich es ab und muss mir eingestehen, dass es nicht mein bestes Schmuckstück war.

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