Zum Inhalt springen

Schmucke Kunst

Interview 2. Teil – Kunstschmuck

Ganz naiv gefragt, welche Funktion hat Schmuck für Dich? Schließlich ist es eine der ältesten Kunstformen. Seit der Steinzeit schmücken sich Menschen.
Das ist meine liebste Phase in der Schmuckgeschichte (lacht).

Wie der Name schon sagt, sich schmücken, etwas soll schöner gemacht werden.
Ja, das sind wir, – die Neuzeitlichen. Ursprünglich hatte Schmuck viele Funktionen: Symbolhaftigkeit, Spiritualität und Zugehörigkeit. Schmuck stand für etwas – sei es für Wohlstand oder Herrschaft. Für mich wird es schwierig und gleichermaßen spannend, wenn Schmuck nur noch für die Wechselseitigkeit des Individuums steht. Den gegenwärtigen Zeitgeist betrachtend, dient Schmuck nicht mehr der Individualisierung, sondern einzig der Platzierung von gesellschaftlichem Status. Mich erinnert das an Adelshäuser.

Statussymbole repräsentieren den in einer Marke definierten Lifestyle.
Das sind ausgesendete Codes. Wer es sich leisten kann, kommuniziert über Codes. Was zugleich eine gesellschaftliche Spiegelung bedeutet. Vielleicht liegt da mein Bruch, dass ich diese Inhalte nicht leben kann. Deshalb kritisiere ich das zum einen Schmuck in den Gemeinplätzen Fetisch und Geld zu wenig individualisiert ist. Da wünsche ich mir mehr Selbstreflexion. Wiederum empfinde ich diese Selbstreflexion teilweise so überinszeniert, dass ich am liebsten davonlaufen möchte. Aber gerade das macht es spannend.

Schmücken sich heute Menschen anders als früher?
Vieles hat sich durch die Kommerzialisierung gewandelt. Ich denke an Erbstücke vor dem Krieg, die mir Enkel zur Reparatur oder Umarbeitung anvertrauen. Diese zarten Goldringelchen vom Opa und Oma, deren Besitz etwas wahnsinnig Wertvolles darstellte. Wir tragen heute Schmuck, wie es früher nur Privilegierten vorbehalten war. Jeder kennt die goldene Uhr vom Opa. Heutzutage wird es beliebig. Inzwischen besitzt Opa eine Uhrensammlung, die wenigsten davon haben einen Wert, – sind aber gelabelt.

In nostalgischen Werbespots bewerben Manufakturen Uhren als traditionelle Erbstücke.
Tradition und Beständigkeit ist letztendlich das Einzige, was übrig bleibt. Die Technik und Fertigung bewegt sich seit Jahrzehnten auf hohem Niveau. Jedoch lassen sich hochwertige Materialien und Präzision nicht beliebig steigern. Daraus resultiert Tradition als einziger Wert.

Welchen Stellenwert hat Vergänglichkeit für Dich?
Es kommt darauf an, manches ist temporär, weil sich viele organischen Materialien tatsächlich auflösen. In der Regel zerlegt sich einiges bei mir. Das ist auch gut so, denn ich kann loslassen.

Allgemein verbinden wir mit Schmuck Zeitlosigkeit.
Das bezweifel ich, jeder hat das Recht auf Veränderung. Ich akzeptiere die Vergänglichkeit, da das Leben selbst einen ändert. Zudem ist es befreiend Vergangenes abzuschütteln. Vielleicht erklärt sich daraus meine mangelnde Sentimentalität, nie die goldene Uhr vom Opa empfangen zu haben.

Mir fiel bei manchen Arbeiten die Grenzwertigkeit zwischen Modeschmuck und Designunikat auf. Zum Beispiel bei deiner Broschen Reihe, in der Du Porzellan mit Haargummis kombiniertest.
Bei den Broschen bestimmte „Häuslichkeit“ als Arbeitsthema die Materialauswahl. Es ist vollkommen abwegig, hartes Metal als Broschenrahmen auszuwählen. Wenn ich an Zuhause denke, fallen mir weiche Textilien ein. Die Haargummis sind nicht als ironisches Zitat gemeint, da meine Materialauswahl für eine Geisteshaltung steht. Daraus ergibt sich eine Atmosphäre, und wenn es mir gelingt, diese zu transportieren, entsteht ein Qualitätsmoment. Etwas findet seinen Ausdruck. Dabei ist es sekundär, welche handwerkliche Fertigkeit dieser Ausdruck bedarf. Das Handwerk dient nur als Mittel zum Zweck.

Gleichzeitig erweiterst Du mit neuen Fertigungstechniken das traditionelle handwerkliche Repertoire.
Eines muss ich korrigieren: Ich habe es nicht erfunden, bereits Ende der 60 Jahre wurden die ersten Fremdmaterialien im Schmuck einbezogen. Auf der einen Seite erleichterte es mir auf dem Gebiet zu arbeiten, andererseits müssen Leute mit den Konsequenzen zurechtkommen, weil sich Schmuckkunst nach wie vor von gängigen Sehgewohnheiten abhebt.

Welche Unterschiede siehst Du bei der nachfolgenden Generation?
Selbstverständlich gibt es große Unterschiede. Es wird viel mehr arrangiert. Allein durch meine Thematik ist es für mich sehr relevant, wie sich Materialien zueinander verhalten und reiben. Ich glaube, dass heutzutage die Inszenierung einen viel größeren Stellenwert einnimmt, als das Inhaltliche. Beispielsweise hat die Farbe Orange eine bestimmte Signalwirkung, jedoch lässt sich mit unterschiedlichen Texturen in Orange so viel arrangieren, dass sich ein äußerst stimmiges Gesamtbild ergibt, bei dem letztendlich einzig Orange behandelt wird. Zugegeben, effektvoll! Allerdings sind mir solche Arbeiten zu dekorativ.

Wir besprachen die Arbeiten der Japanerin Akiko Kurihara. Sie gehört zu der jüngeren Generation, bei der ich neben der handwerklichen Perfektion, einen Hang zum Manierismus sehe.
Sie arbeitet sehr konzeptionell. Auf Außenstehende wirkt das sehr streng und programmatisch. Ihre Arbeit „1 Gramm Gold“ ist ein klarer Auftrag, – sehr direkt und konsequent umgesetzt. Ein Gramm als Kleinbuchstabe „g“. Ich finde das messerscharfe Konzept und ihre Arbeitsweise äußerst spannend, weil dem eine solche Kraft der Entscheidung innewohnt. Dabei stellt sich nicht die Frage nach der Schönheit eines Schmuckstücks, sondern ob einem die Konzeption gefällt. Deshalb trägt man es.

Besteht bei dieser Arbeitsweise nicht die Gefahr in eine Sackgasse zu geraten. Dieses 1-Gramm-Gold ist logisch und in sich geschlossen, aber ein zweites Objekt kann ich mir kaum vorstellen.
Da wäre ich mir gar nicht so sicher. Wenn ich mir ein Gramm Gold vorstelle, ist der naheliegende Gedanke ein 1 Gramm schweres Schmuckstück zu kreieren. Viele werden „Guten Tag und Auf Wiedersehen sagen“, weil sie es als Banalität empfinden. Jedoch lässt sich alles noch weiter auf die Spitze treiben. Davon abgesehen, ob ein höher, schneller, weiter begrüßenswert ist, gelangen Leute auf eine kindliche Weise an Unerwartetes. Das kann klüger machen.

Du selber trägst keinen Schmuck?
Ich empfinde Schmuck als lästig, – für mich! Entweder würde ich aufgeladenen Schmuck tragen, wie das „g“ von Akiko Kurihara, – aber ehrlich gesagt ist es mir als introvertierter Typ zu viel. Jedoch liebe ich es, wenn Menschen den Mut aufbringen Schmuck als starkes Statement zu tragen.

Du trägst einen Trauring.
Als Symbol, aber nicht als Schmuckstück. Genauso gut könnte ich mir dieses Symbol als eine Schraube am Kopf vorstellen. Dann würden Ehefrauen Schrauben am Kopf tragen.

Ich wollte auf deine Handschuhringe zu sprechen kommen, die sowohl devot als auch dominant wirken.
Die Fingerringe haben etwas sehr Prothesenhaftes, – wie Schutzringe. Das Leder hat eine bestimmte Qualität und an diesem Punkt nehme ich Bezug auf meinen Latex Fetisch. Letztendlich ergibt sich aus dem haptischen Empfinden, für den Träger eine Überhöhung der Sinneswahrnehmung. Die subjektive und objektive Ebene ist dabei ganz wichtig, sozusagen die unterschiedliche Wahrnehmung von innerer Empfindung und äußerer Betrachtung.

Was sagst Du dazu, dass Karl Lagerfeld ähnliche Handschuhe trägt?
Ist Dir das auch aufgefallen. Das ist Zufall, der kennt mich nicht.

Die Mode Epigone scheint aber deine Handschuhe zu kennen.
Er trägt quasi das, was ich abgeschnitten habe. Das passende Chauffeuraccessoire zum Mercedes Cabrio mit roten Sitzen.

Seiten 1 2