Calais bedeutet für die meisten Butterfahrer, sich lediglich bis zum nächsten Auslaufen die Beine zu vertreten. Dabei hat das Hafenstädtchen durchaus Charme.
Text & Foto: Ilijic / © nikkiwunderkind
Liebe auf den zweiten Blick
Die nächste Etappe führt uns ins malerische Calais. Pardon,- wenigstens die dicken englischen Touristen mit den Köpfe verdeckenden Eistüten sind schön anzusehen. In spuckweite zur englischen Küste, wurde dieses geschichtsträchtige Hafenstädtchen gerne und nicht immer im Guten von allerlei Transitreisenden heimgesucht. Die Hinterlassenschaften der Besucher, Folgen von Bombenteppichen und Müllbergen, prägen nach wie vor das Stadtbild. Allenfalls Flüchtlinge würden bei dem trostlosen Anblick einen längeren Aufenthalt in Betracht ziehen. Calais bedeutet für die meisten Butterfahrer, sich lediglich bis zum nächsten Auslaufen der Fähre, die Beine zu vertreten. Schnell sind die Sehenswürdigkeiten des Städtchens an einer Hand aufgezählt. Rodins Bürger, eine Oper, zwei Museen und den Rest machen Gebäude der Kategorie grau bis unscheinbar, Hotelburgen, whitetrashige Engländer sowie Fast Food mit dem Prädikat international Fettiges aus. Dabei hat Calais durchaus Charme. Übernachten läßt es sich in familiärer Atmosphäre im Hotel Maurice, dass eingerichtet in bröckelnden Fin de Siècle Kitsch, seinen Gästen ein englisches Frühstück im Wintergarten kredenzt, bei dem Sie opladi oplada live goes on bra pfeifen werden.
Die denkmalwürdige Gelassenheit der Bürger von Calais
An den Hafenanlagen flanierend, stehen Industriedesign in Kontrast zu alten Bordgeschützen, Fischernetzen und vertauten Booten hinter denen riesige Autofähren schwarzen Rauch in den Himmel pusten. Auf regelmäßig stattfindenden Wochenmärkten wird ein reichhaltiges Angebot an landwirtschaftlichen Erzeugnissen von fein bis derb angeboten. Pferdewurst, allerlei Käsesorten der Normandie und Frühlingszwiebeln, die im Gegensatz zu ihren Artgenossen hierzulande, nicht als normierte Frühgeburt das Licht der Welt erblicken. Restaurants gilt es um die Mittagszeit herum zu meiden, außer Sie wollen einen Toast auf die Queen ausbringen. Beim örtlichen Metzger finden Sie regionale Gerichte, die aufgewärmt, bis zur nächsten Hafenmole warm bleiben. Ein tutendes Schiffshorn, von Dieselgeruch durchzogene Meeresluft sowie der Geschmack von Stockfischkartoffelpüree, – was will man mehr. Abseits der Hafenausfahrt erstreckt sich, von weiß getünchten Strandhäuschen gesäumt, ein weitläufiger Sandstrand, auf dem es sich dösen lässt, während flandrisch gemalte Wolken vorbeiziehen. Wahre Abkühlung und nur was für Mutige mit gesundem Kreislauf bringt ein erfrischendes Bad im Atlantik. Eine französische Baywatch Truppe wacht darüber, dass kein Badender bei der tückischen Strömung unfreiwillig Richtung Dover abtreibt.
Strandermattete finden im Restaurant Histoire Ancienne den Ort, um wieder zu Kräften zu kommen. Die Gäste erwartet eine grundsolide sowie täglich wechselnde Menükarte aus über Holzkohle gegrillten Fisch und Fleischgerichten. Hauptsächlich von Einheimischen frequentiert, besticht dieses Lokal durch sein schlichtes, fast belgisch anmutendes Interior sowie einer freundlichen Bedienung in ruhiger Atmosphäre. Solch klassische Lokale sind inzwischen rar geworden, bei dem Konzept- und Lifestylediktat, dass in der Gastronomie Einzug gehalten hat. Ein solcher Abend könnte in einem der kleinen Bistros rund um den Hafen ausklingen. Verschont von Touristen, wird man bei einem belgischen Bier, die denkmalwürdige Gleichmut und Gelassenheit der Bürger von Calais zu schätzen wissen.