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Heimweh und Ferne

Interview – Heimweh und Ferne

Hattet ihr ein Kino auf der Insel?
Ja schon in meiner Kindheit. Es liefen hauptsächlich Partisanen Kriegsfilme und ein paar amerikanische Cowboyfilme. Wir Kinder nahmen sie für bare Münze. Die Alten schwiegen über den Krieg. Wenn man es nicht anders kennt …

Gab es Partisanen auf der Insel während des 2. Weltkriegs?
Natürlich gab es welche. Nach dem Krieg haben die jeden Vermögenden, – Leute, die zum Beispiel Hotels besaßen, mitgenommen bzw. umgebracht. Es hieß Sie hätten die Arbeiterschicht ausgebeutet. Ich kann Dir darüber nichts genaueres erzählen, da die Alten darüber nicht sprechen wollten. Es war gefährlich. Die Leute verschwanden von einem auf den anderen Tag.

Welchen Beruf konntest du als Jugendlicher auf der Insel ergreifen?
Hauptsächlich Lehrberufe im Handwerk, weiterführende Schulen gab es nicht, bzw. war ein Studium auf dem Festland unbezahlbar. Abgesehen von Stipendien für Kinder von Veteranen und Funktionären, konnte kaum eine Familie für den Unterhalt eines Studenten aufkommen. Es gab die klassischen Handwerksberufe,- Schreiner, Koch, Mechaniker, Maler, Zimmermann und später konnte man Automechaniker oder Elektriker werden. Für Frauen gab es auch Berufe, zum Beispiel als Schneiderin. Während meiner Lehre besuchte ich 3 Monate im Jahr die Berufsschule auf dem Festland. Weil meine Familie es sich nicht leisten konnte, übernahm der Bootsbauer mein Schulgeld und als Gegenleistung dafür hab ich den Rest des Jahres bei ihm umsonst gearbeitet.

Wie lange dauerte deine Ausbildung?
Drei Jahre.

Hast Du parallel noch auf dem elterlichen Hof gearbeitet?
Nicht nur das, zum Fischen war abends auch noch Zeit. (Lacht) Zeit zum Ausruhen gab es kaum.

Was für Boote habt ihr gebaut? Konntest du dich auf etwas spezialisieren.
Eine Spezialisierung gab es nicht. Wir bauten Holzboote bis zu einer Länge von 15 Metern,- Fischkutter, Segelyachten, Boote mit und ohne Kabinen. Ein Lehrling besaß am Ende seiner Lehre alle Fertigkeiten. Ich kann von der Konstruktionszeichnung bis zum Innenausbau ein Boot bis zu einer bestimmten Länge eigenhändig bauen. Während meiner Lehre wurde alles noch ohne Hilfe von Maschinen per Hand gesägt und gefertigt.

Heutzutage ist Handarbeit immens teuer.
Im Vergleich zu der damaligen Zeit sind die heutigen Plastikboote viel teurer. Damals waren die Motoren schwächer und die Technik und Ausstattung nicht so umfangreich. Barken besaßen Dieselmotoren mit einem einzigen Zylinder und wenigen Pferdestärken.

Wie ging es nach deiner Lehre weiter?
Von 1957 bis 1960 ging meine Lehre, danach blieb ich bei der Werft 6 Jahre, unterbrochen von einer 2. jährigen Wehrdienstzeit bei der jugoslawischen Volksarmee.

Solange?
Ja, ich war bei Zagreb stationiert. Es gab nur 2 Wochen Urlaub im Jahr, an dem man nach Hause konnte. Wer mag schon die Armee? Schießübungen, Manöver, stupider Drill und Monotonie, – das einzig gute an der Zeit war, als unsere Kompanie zu Ehren von Titos Sieg am 9. Mai eine Parade in Belgrad abhielt. Rekruten mit guter Stimme konnten im Chor singen. Einen Monat vor der Parade verbrachten wir ohne den sonstigen Drill mit Gesangsproben. Das war das einzig Erfreuliche an der Armeezeit. Ein Winter in Zagreb war besonders frostig, bei Minus 27 Grad rissen die Stromkabel an den Masten und sie schickten uns ins Manöver.

Wie bist nach Deutschland gekommen?
Über eine deutsche Urlauberin. Sie kannte eine Schreinerei, die Schreiner suchte und mich einstellen wollte.

Weshalb wolltest du in Deutschland arbeiten?
Des Geldes wegen. Ursprünglich dachte jeder Gastarbeiter, vier bis fünf Jahre zu bleiben. Solange bis mein Haus fertig gebaut war, doch es kam anders. Ich konnte etwas Deutsch, weil wir es während der achtjährigen Schulzeit als Fremdsprache hatten.

Wie wurdest du empfangen und wie fandest du die Deutschen?
In meiner ersten Firma war ich der einzige Ausländer. Was meine Kollegen betraf, waren es anständige Menschen, – offen und hilfsbereit. Ach ja, aber alle Anfänge sind schwer.

Gab es Sprachprogramme oder Integrationskurse?
Nein, Deutsch habe ich bei der Arbeit gelernt. Später wechselte ich in eine Autolackiererei, weil der Lohn höher war. Zu der Zeit konnte man jeden Monat den Arbeitgeber wechseln. Es bestand ein Mangel an Arbeitskräften. Teilweise warben sich die Firmen gegenseitig Arbeiter mit Geld ab, nach Qualifikation fragte damals niemand.

Welchen großen Wunsch hast du dir in Deutschland zuerst erfüllt.
1968 kam ich nach Deutschland und zwei Jahre später kaufte ich mein erstes Auto. Einen Opel Kadett für 8.000 D-Mark. Die Miete meines Zimmers mit Bad im Gang war günstig und ansonsten aß ich unterwegs. Einen Teil der Summe bezahlte ich über einen Kredit der Deutschen-Bank.

Fast alle deine Geschwister sind ausgewandert.
Eine Schwester ist noch vor mir nach Deutschland gegangen. Andere Geschwister und Verwandte wanderten ebenfalls aus, – nach Deutschland, Österreich und in die Vereinigten Staaten.

Verspürtest du Heimweh?
Natürlich, es zog einen sehr stark nach Hause.

Ab wann gab es eine kroatische Gemeinde?
Als ich ankam, gab es schon eine kroatische Kirchengemeinde. Dort konnte ich Landsleute treffen und mit unserer Sprache und Kultur in Kontakt bleiben.

Wie siehst du Deutschland heute?
Die alte Bundesrepublik und Deutschland sind zwei unterschiedliche Länder. Was mir als erstes einfällt, das es damals genügend Arbeitsplätze gab und das die meisten von ihrem Gehalt ordentlich leben konnten. Egal in welcher Branche. Die alten Deutschen, die ich kennengelernt hab, haben schwer geschuftet, um etwas aufzubauen. Heute ist das Tempo ein anderes. Allein die Öffnungszeiten im Handel. Früher blieben die Geschäfte über die Mittagspause geschlossen und um 18:30 war Feierabend. Damals konnte ein Angestellter ein ganzes Leben in einer Firma bleiben. Es war verbindlicher, – ein gegebenes Wort galt noch etwas – heutzutage geht es nur noch ums Geld.

Warum bist du nicht nach Kroatien zurückgekehrt?
1973 haben wir geheiratet, und wenn erst mal Kinder da sind, – du kennst die Geschichte. Erst letztes Jahr sind gut 50.000 Kroaten ausgewandert. Das Land bietet jungen Menschen keine Perspektive. Gerade die Qualifizierten wandern aus. Kroatische Politiker behaupten, dass sie wieder heimkehren werden. Das ist Unsinn, sobald Familien gegründet sind, kehrt kaum einer zurück und im Alter kommt es eh anders als gedacht.

Wie hat sich die Insel Rab gewandelt?
Die Natur war früher viel schöner und üppiger. Die Felder wurden bestellt. Vom Meer waren die Weinberge herrlich anzusehen. Ganz Rab war voller Wein. Bedauerlich, dass so viel Land ungepflegt brachliegt. Rab war nicht so besiedelt. Im Vergleich zum heutigen Beton gab es nur wenige Häuser. Zum Glück sind die alten Eichenwälder geschützt und erhalten.

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