Wer seinen Urlaub mit einem Slum-Besuch krönen will, dem sei ein Tagesausflug nach Dover ans Herz gelegt.
Text: Ilijic / Titelbild – Ausschnitt Dover beach and castle © By Nilfanion (Own work), CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Thy cities shall with commerce shine
Die Überfahrt nach Dover gestaltet sich bis zur Sichtung der Kreidefelsen so romantisch wie in einer 19. Uhr 30 Zuckerwasser-Verfilmung des ZDF. Einmal an Land sind die Folgen jahrzehntelanger neoliberaler Politik uncool poor anzusehen. Laut Wikipedia Eintrag der größte Passagierhafen Europas, schlägt einem als einzige Empire-Größe der Immobilien Leerstand entgegen. Pittoreske Strandvillen rotten vor sich hin und überall wie im Sommerschlussverkauf schmücken rote „For Sale“ Schildchen die Fensterauslagen. Symptomatisch, dass das größte Einkaufsgeschäft, ein karikativer Secondhand-Laden für gebrauchte Haushaltswaren, auf dem Marktplatz zu finden ist, wo zur atmosphärischen Aufheiterung eine deplatzierte Großbildleinwand pausenlos Tennis-Matches überträgt. Nach Fish & Chips sowie der legendären englischen Teekultur suchen Besucher vergeblich und auch sonst werden Sie das Gefühl nicht los einer Gesellschaft in Auflösung beizuwohnen. Denn trotz bester touristischer Voraussetzungen (Sonne, Strand, Burg und Meer) scheint der Point of no Return überschritten.
Britons never, never, never shall be slaves
Es sei dahingestellt ob Sicherheitsdienste, Kameraüberwachung oder eine Privatisierung der Infrastruktur der Weisheit letzter Schluss ist. Jedenfalls liefern die Überwachungskameras zu den Londoner Straßenkrawallen unterhaltsame Clips in Youtube tauglicher Big Brother Qualität, zu denen englischen Politikern nicht mehr als ein shocking einfällt. Mancher Journalist schrieb damals, einzig dem britischen Bildungswesen sei es zu verdanken, dass die jugendlichen Randalierer nur Ihren eigenen Stadtteil brandschatzten. Weiter als das Ghetto reiche deren Horizont nicht. Dazu lässt sich anmerken, dass nur Zyniker im dunklen Wald laut vor sich hinpfeifen. Zum Glück besaßen die Jugendlichen genug Grips, sich nicht an den Grenze ihres von schwer bewaffneten Sondereinheiten hermetisch abgeriegelten Stadtviertels abknallen zu lassen. Bei Dover ist die Sorge unbegründet, – es fehlt schlicht an Jugend.